Eigentlich ist es ja noch etwas zu früh, um sich jetzt schon um einen Kalender für das Jahr 2015 zu kümmern. Die Verlage stellen aber schon jetzt wieder ihr umfangreiches Angebot vor. Aus der Vielzahl von Kalendern, allen voran natürlich die üblichen Bildkalender mit den Schlössern König Ludwig II. von Bayern, möchten wir hier einen etwas (inhaltlich) gewichtigeren Kalender vorstellen.
Der Südwest-Verlag aus der Verlagsgruppe Random House Bertelsmann bietet schon mehrere Jahre seine Reihe „Mit deutscher Geschichte durch das Jahr 2015“ als Textabreißkalender an:
Dieser Kalender präsentiert die wichtigsten Eckpfeiler deutscher Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Er enthält jeden Tag ein interessantes und manchmal auch bewegendes Ereignis aus der deutschen Geschichte. Ob Friedrich der Große, der erste Weltkrieg oder der Mauerfall, zu jedem Ereignis erfährt man die wichtigsten Grundlagen, Fakten und Daten.
Im Jahr 2015 ist König Ludwig II. von Bayern in Generalsuniform, einem Portrait von Ferdinand Piloty d. J. aus dem Jahre 1865, auf dem Titelbild abgebildet. Es ist ein wenig irreführend, dass Ludwig als einziges Bild den Kalender ziert; man könnte meinen, es handele sich um (zumindest vorwiegend) Daten aus dem Leben Ludwig II. – eine Idee, die man vielleicht mal aufgreifen könnte.
Jedenfalls spielt Ludwig keine hervorgehobene Rolle in dem ansonsten mit sehr schönen von der Redaktion ausgewählten Daten aus der deutschen Geschichte, die dem interessierten Leser täglich ein interessantes Ereignis vorstellt. Dabei sind die vorgestellten Ereignisse nicht immer nach „runden“ Jahrestagen ausgewählt. Es finden sich darunter viele Ereignisse, die selbst Geschichtsinteressierten nicht immer so präsent sind – sie laden ein, weiterzulesen und das Ereignis bewusster wahrzunehmen.
Herausgehobene Termine, die sich mit König Ludwig II., seinen Interessen, seinem Umfeld, beschäftigen sind zum Beispiel:
05. Januar | Maximilian I. Joseph wird bayerischer König (1806) |
30. Januar | Reptilienfonds – Bismarcks „schwarze Kassen“ (1869) – Bismarck hatte Vermögen aus den ehemaligen Fürstenhäusern Hannover und Hessen beschlagnahmt und davon unter anderem Ludwigs Zustimmung zur Gründung des Deutschen Reiches unter Vorherrschaft Preußens erkauft. |
01. Februar | Einheitliche Briefmarken in Deutschland (1902) |
13. Februar | Richard Wagner stirbt (1883) |
10. März | Beginn der Regentschaft des „Märchenkönigs“ (1864) |
26. März | Festungshaft wegen Friedensvorschlags (1872) – August Bebel und Wilhelm Liebknecht werden wegen Hochverrats verurteilt. Die beiden Politiker machten einen Friedensvorschlag – konträr zu den offiziellen Jubelfeiern jener Zeit. |
08. April | Bündnis Preußens und Italiens gegen Österreich (1866) – Vorbote des zweiten deutschen Einigungskrieges und den ersten furchtbaren Krieg, den Ludwig aus dem Bündnis mit Österreich führen musste. Preußen besiegte Österreich (und seine Verbündeten) am 03. Juli bei Königgrätz. |
27. April | Beginn der deutschen Kolonialpolitik (1880) – In den folgenden Jahren hat das Deutsche Reich einige Kolonien „begründet“. Dieser Aspekt ist hinsichtlich Ludwigs Idee, sein Königreich zu „tauschen“ interessant. |
02. Juni | Wilhelm I. wird verwundet (1878) – Im offenen Wagen wird der preußische König und deutsche Kaiser bei einem Attentat verletzt. Ludwig hatte Zeit seines Lebens große Angst vor Nachahmungstätern. |
13. Juli | Die Emser Depesche (1870) – Auslöser des dritten Einigungskriegs, in den Ludwig wegen des Bündnisses mit Preußen eintreten musste. |
27. Juli | Wagners „Parsifal“ uraufgeführt (1882) – Die letzte Oper Richard Wagners wird in Bayreuth erstmals aufgeführt. Für Ludwig ein wichtiges Ereignis, für das er Chor und Orchester der Münchner Hofoper zur Verfügung stellte. Wagner hatte noch viele Opern geplant, starb aber schon 1883. |
28. August | Uraufführung des „Lohengrin“ (1850) – Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese Oper für Ludwig eine große Bedeutung hatte, nahm er doch in vielen Projekten (z. B. Neuschwanstein) Bezug auf die Oper. |
01. September | Reform des § 175 (1969) – Sexuelle Handlungen unter Männern über 21 Jahre wurden in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gesetzlich geahndet. Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches galt der Paragraph auch in Bayern (bis dahin war die gleichgeschlechtliche Liebe nicht strafbewährt). Für Ludwig eine weitere Belastung (neben der katholischen Moralvorstellung), unter der er litt, da er sich ja als Staatsoberhaupt natürlich auch an die Gesetze gebunden fühlte. Erst 1994 wurde der Straftatbestand vollkommen aufgehoben. 140.000 Männer waren wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Neigung verurteilt worden. |
06. September | Dreikaisertreffen in Berlin (1872) – Das Deutsche Reich, Österreich und Russland schließen ein Abkommen zur Sicherung des Friedens. 1914 war davon keine Rede mehr und im (neuen) Bündnis mit Österreich entfesselte das Deutsche Reich einen entsetzlichen Krieg gegen Frankreich und Russland, den Ludwig zum Glück nicht mehr miterleben musste. |
(c) Michael Fuchs, Berlin, Juni 2014