Virtuelle Welten im 19. Jahrhundert

Bühnenbildentwurf "Herodias", 1886 Bild: Deutsches Theatermuseum München
Bühnenbildentwurf „Herodias“, 1886 Bild: Deutsches Theatermuseum München

Heute ist es ziemlich einfach, sich in virtuelle Welten zu begeben; also eine simulierte Umgebung, ganz für die eigenen Wünsche und Vorstellungen entworfen. König Ludwig II. von Bayern hatte nicht die heutigen technischen Voraussetzungen, aber er hatte die Fantasie und nutzte entsprechend die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Schaffung seiner Welten. Das Deutsche Theatermuseum in München zeigt aktuell die Ausstellung „In meiner Vorstellung“ zu König Ludwig II. von Bayern.

Über 200 Vorstellungen, die nur für ihn aufgeführt wurden, fanden zwischen 1872 und 1885 in München statt: die legendären Separatvorstellungen. Dabei wurden aber nicht irgendwelche Programmaufführungen mit nur ihm als einzigem Zuschauer aufgeführt. Nein, er hatte ganz konkrete Wunschvorstellungen, was und vor allem wie die Szenarien aufgeführt werden sollten. Er wollte wortwörtlich mit Haut und Haar in diese nicht-reale Welt eintauchen, sie riechen, ja spüren!

Josef Kainz mit Ludwig II., Deutsches Theatermuseum München
Josef Kainz mit Ludwig II., Deutsches Theatermuseum München

Wenn überhaupt, dann durfte nur ein ausgewählter Kreis die Vorstellungen besuchen. Den Mitwirkenden war es untersagt, jemals darüber zu sprechen. Ludwigs Theaterliebe und sein Anspruch an die Aufführungen trugen dazu bei, den Ruf der Münchner Hofbühnen zu begründen. Die Separatvorstellungen entstanden aus dem Wunsch des Königs, sich der Öffentlichkeit zu entziehen, und etablierten ein eigenes, absolutistisches Zeremoniell. Während der Vorstellungen blieb die königliche Loge beleuchtet, damit die Bühnengestaltung verglichen und im Textbuch mitgelesen werden konnte.

Bühnenbildentwurf "Narziss", 1885, Deutsches Theatermuseum München
Bühnenbildentwurf „Narziss“, 1885, Deutsches Theatermuseum München

Es ist aber sicher nicht einfach eine Flucht oder ein Spleen gewesen, den er auslebte. Sicher war er ex-zentrisch, aber nicht, weil er ver-rückt oder verschroben war. Im Gegenteil: ihm war die Genauigkeit der Aufführung und die Möglichkeit des vollständigen Eintauchens in die Szene hinein wichtig. Und dies wollte er genießen und empfinden, ohne dass er angestarrt und abgelenkt wurde. Seine Ansprüche und dementsprechend auch die Qualität der eingesetzten Mittel und Technik waren extrem hoch (vgl. dazu auch „Fritz Brandt, König Ludwig II. und der Pfauenwagen“). Elektrisches Licht, fließendes Wasser und fahrbare Bühnenelemente – die modernsten Möglichkeiten wurden eingesetzt, um das bestmögliche Erlebnis zu erzielen.

Ausstellungsplakat, Gestaltung: Christoph Sauter, Deutsches Theatermuseum München
Ausstellungsplakat, Gestaltung: Christoph Sauter, Deutsches Theatermuseum München

Das „Deutsche Theatermuseum“ in München zeigt vom 19.04. bis 30.07.2023 eine Ausstellung, die sich mit den exklusiven Aufführungen von König Ludwig II. befasst. Die Ausstellung zeigt, wie Ludwig II. nicht nur die Stücke auswählte, sondern auch Einfluss auf die Besetzung und Ausstattung nahm; dabei werden auch Bühnenbildentwürfe, Figurinen, Fotos und Schmuck, den er seinen Lieblingskünstlern schenkte, gezeigt. Die Ausstellung erstreckt sich über das Theatermuseum hinaus und bietet auch Interventionen an Originalschauplätzen in der Residenz. In Kooperation mit der Münchner Schatzsuche werden Ludwigs Welten in szenischen Führungen und an den beiden Schau-Orten Residenz München und Deutsches Theatermuseum am Hofgarten erlebbar.

Leider wird es keinen Katalog und keine weitere Publikation des Theatermuseums geben, aber den Flyer kann man hier: Flyer Begleitprogramm „In meiner Vorstellung“ herunterladen.

Weiterführende Links:

Deutsches Theatermuseum München:
Homepage, Instagram, Facebook

Münchner Schatzsuche (Führungen)

Beitrag des Bayerischen Rundfunks zur Ausstellung

Autor: mifu

Michael Fuchs * Freier Journalist * Autor und Redakteur bei Ludwigiana.de * Literatur- und Informations-Portal zu König Ludwig II. von Bayern * http://www.michaelfuchs.de * presse@michaelfuchs.de